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Kapazitäten in der Industrieversicherung weiter knapp – Beratungsbedarf steigt

Frankfurt am Main, 11. April 2024 – Der Druck auf die Kapazitäten in der Industrieversicherung bleibt auch 2024 hoch, lautet die Einschätzung des Risikoberaters WTW in seinem MarktSpot, dem halbjährlichen Trendreport zum deutschen Industrieversicherungsmarkt. Viele Unternehmen haben es deshalb schwer, sich in einer komplexer werdenden Risikolandschaft ausreichend zu versichern. „Auch wenn sich der Markt in einigen Bereichen sichtlich entspannt, bleibt es in vielen Sparten kritisch – eng wird es insbesondere in der Sachversicherung und im Bereich Cyber für größere Unternehmen“, so Lukas Nazaruk, Head of Corporate Risk & Broking Deutschland und Österreich bei WTW. 

Der Grund: Versicherer müssen immer stärker abwägen, in welchen Bereichen sie wie viele Versicherungskapazitäten zur Verfügung stellen – insbesondere dann, wenn eine hohe Risikoexponierung besteht. Das führt seit einigen Jahren spartenübergreifend zu einem konstanten Kapazitätsengpass.

Konzerne stehen am meisten unter Druck

Der Kapazitätsengpass betrifft sowohl mittelständische als auch Großunternehmen. „Insbesondere Konzerne benötigen sehr hohe Deckungssummen, die ihnen der deutsche Markt allein nicht bieten kann“, sagt Safak Okur, Head of Broking Deutschland und Österreich bei WTW. „Um die Lücken zu schließen, greifen sie immer häufiger auf internationale Märkte zurück.“ 

Differenziertes Bild bei der Prämienentwicklung

Laut Trendreport entwickeln sich die Prämien in der Industrieversicherung je nach Sparte sehr unterschiedlich: Erfreulich ist die Entwicklung im D&O-Markt. Hier führte ein wieder erhöhter Wettbewerb unter den Risikoträgern zu einer spürbaren Stabilisierung des Marktes und in einigen Fällen auch zu Prämienreduktionen. Auch in der Cyber-Versicherung gibt es durch neue Marktteilnehmer und eine Professionalisierung der Versicherer 2024 mehr Angebote. „Aber nur sehr wenige Anbieter stellen umfassende Cyber-Deckungen für Großunternehmen bereit, so dass Konzerne ausreichende Kapazitäten nur am internationalen Markt finden“, so Okur. 

Unsicher bleibe die Entwicklung dagegen in Sparten wie der Sach-, Warentransport- oder der Haftpflichtversicherung: „Ereignisse wie das Erdbeben in Taiwan oder der Schiffsunfall in Baltimore zeigen einmal mehr, wie unvorhersehbar die Lage ist. Unglücke wie diese belasten die gesamte Branche“, sagt Okur. „Wir rechnen in diesen Sparten daher nicht mit starken Preisrückgängen, insbesondere nicht für schadenbelastete Risiken.“

Zu dieser Einschätzung passt auch eine jüngst durchgeführte Umfrage von WTW zur Prämienentwicklung: 91 Prozent gaben im Rahmen eines Branchen-Events an, dass sie mit gleichbleibenden oder steigenden Preisen für die Industrieversicherung noch in diesem Jahr rechneten. 

Alternativen im Kampf um Kapazitäten 

Unternehmen sollten neben den klassischen Versicherungsmodellen auch Alternativen im Blick haben, um ihre Risiken anderweitig abzusichern. Auch kleinere Player sollten zusätzlich die internationalen Kapazitäten und die Angebote neuer Marktteilnehmer unter die Lupe nehmen. „Für Konzerne kann die Nutzung einer konzerneigenen Captive in bestimmten Konstellationen Sinn machen“, sagt Okur. „So können sie einen Teil ihrer Risiken selbst abdecken.“ 

Unternehmen, die sich versichern wollen, müssten darüber hinaus mehr in die Prävention investieren: Eine datenbasierte Risikoeinschätzung wird hierbei immer mehr zu einem bedeutenden Differenzierungsmerkmal, das in der Vermarktung der Risiken eingesetzt werden kann. Der Beratungsbedarf der Unternehmen in diesem Bereich nimmt kontinuierlich zu. Bei Klimarisiken etwa böten sich unter anderem parametrische Deckungen an. „Eine bessere Kenntnis der Risiken und möglicher wirtschaftlicher Schäden bedeutet auch, dass man Präventionsmaßnahmen zielgenauer ansetzen kann. Nicht zuletzt stärkt dies auch die Verhandlungsposition gegenüber den Versicherern, wenn verbleibende Restrisiken abgesichert werden“, so Okur weiter.

„Die Zeiten, in denen Unternehmen sich nur auf traditionelle Versicherungskonzepte verlassen konnten und sollten, sind vorbei“, so Nazaruk. „Unternehmen müssen ihre Risiken heute besser kennen, mehr in Prävention investieren und verbleibende Restrisiken kreativ absichern. Dazu gehört auch der Blick auf internationale Kapazitäten, der Einsatz von fakultativen Rückversicherungsmodellen und alternative Absicherungsmöglichkeiten wie etwa Captives.“